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Grüne Identität im Konflikt: Wie nachhaltig orientierte Mitarbeitende den Balanceakt meistern – und was Unternehmen daraus lernen können

  • Autorenbild: Sarah Rietze
    Sarah Rietze
  • 7. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Apr.


Nachhaltigkeitsmaßnahmen werden in Organisationen häufig von oben gesteuert – etwa durch das Top-Management oder spezialisierte Nachhaltigkeitsabteilungen. Was dabei jedoch übersehen wird, ist die Rolle der Mitarbeitenden auf unteren Hierarchieebenen – Menschen, die privat stark umweltorientiert sind und versuchen, ihre Überzeugungen in den Arbeitsalltag zu integrieren. Diese sogenannten „grünen" Mitarbeitenden stehen häufig vor einem Konflikt: Sie möchten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, stoßen jedoch auf organisatorische Barrieren und mangelnde Unterstützung.


Eine Studie von Blazejewski und Kolleg:innen (2020) zeigt, wie diese Mitarbeitenden mit Spannungen zwischen ihrer grünen Identität und den Anforderungen ihres Arbeitsumfelds umgehen. Dabei werden nicht nur die Herausforderungen sichtbar, sondern auch innovative Strategien, mit denen nachhaltig orientierte Mitarbeitende ihre Überzeugungen bewahren und sogar Veränderungen anstoßen. Gleichzeitig liefert die Studie wertvolle Impulse für Unternehmen, wie sie diese oft verborgene Ressource nutzen und fördern können.


 

Die Herausforderung grüner Identität in nicht-nachhaltigen Kontexten


Viele Mitarbeitende mit starker grüner Orientierung erleben ihre Arbeit als widersprüchlich zu ihren Überzeugungen. Sie sehen, dass ihr Arbeitsumfeld wenig Wert auf Nachhaltigkeit legt, und fühlen sich in einer Rolle gefangen, die sie nicht mit ihrem Selbstbild vereinen können. Diese Spannungen können tiefgreifend sein, vor allem, wenn die Organisation nicht nur keine Unterstützung bietet, sondern manchmal sogar aktiv gegen nachhaltige Initiativen arbeitet.


Die Studie zeigt jedoch, dass diese Mitarbeitenden keineswegs resignieren. Stattdessen entwickeln sie eine Reihe von Strategien, um ihre grüne Identität zu schützen und ihren Einfluss trotz aller Hindernisse geltend zu machen. Diese Strategien spiegeln die individuellen Möglichkeiten und Grenzen wider, mit denen sie im Arbeitsalltag konfrontiert sind.


 

Vier Wege, wie grüne Mitarbeitende Spannungen bewältigen


Ein zentraler Ansatz, den viele grüne Mitarbeitende verfolgen, ist das offene Bekenntnis zu ihrer Identität. Sie machen ihre Überzeugungen sichtbar, indem sie Nachhaltigkeitsthemen ansprechen, nachhaltige Praktiken vorschlagen oder symbolisch Stellung beziehen, etwa durch Botschaften auf ihrer Arbeitsausstattung. Dieser Ansatz birgt Risiken, etwa soziale Ablehnung, stärkt aber gleichzeitig das Selbstwertgefühl und sensibilisiert das Umfeld.


Andere gehen den Weg des „Aushaltens“. Sie akzeptieren, dass Veränderungen nicht von heute auf morgen erreicht werden können, und setzen auf Beharrlichkeit. Sie sprechen immer wieder dieselben Themen an, ermutigen Kolleg:innen zur Reflexion und hoffen, dass ihre Ausdauer langfristig Wirkung zeigt. Dabei sehen sie sich oft als „Einzelkämpfer:innen“, die gegen den Strom schwimmen, und ziehen daraus eine gewisse Stärke.


Eine weitere Strategie ist das „Ausweichen“. Grüne Mitarbeitende nutzen kreative Wege, um ihre Ideen umzusetzen, ohne die formalen Strukturen des Unternehmens zu konfrontieren. Sie starten eigene Projekte, schaffen Nischen innerhalb der Organisation oder arbeiten unter dem Radar, um Nachhaltigkeit voranzutreiben. Diese versteckten Initiativen ermöglichen es ihnen, trotz der Hindernisse aktiv zu bleiben, können jedoch zu Konflikten führen, wenn sie entdeckt werden.


Schließlich gibt es jene, die den Bruch wagen. Sie verlassen Unternehmen, die ihre Werte nicht unterstützen, oder verändern ihre Karriere, um eine Rolle zu finden, die besser zu ihrer Identität passt. Dieser Schritt ist nicht leicht, doch für einige der einzige Weg, um ihren Überzeugungen treu zu bleiben und ihre berufliche Erfüllung wiederzufinden.


 

Was Unternehmen aus diesen Strategien lernen können


Für Unternehmen bietet die Studie wertvolle Einblicke, wie sie ihre grünen Mitarbeitenden besser unterstützen und deren Potenzial nutzen können. Diese Menschen sind nicht nur engagiert, sondern bringen oft innovative Ideen ein, die die Organisation nachhaltig transformieren können – wenn sie die nötige Unterstützung erhalten.


Eine Möglichkeit besteht darin, Räume für grüne Initiativen zu schaffen. Mitarbeitende sollten ermutigt werden, ihre Ideen nicht nur einzubringen, sondern auch umzusetzen. Hierbei kann es helfen, Plattformen für den Austausch zu schaffen, auf denen grüne Mitarbeitende voneinander lernen und sich gegenseitig stärken können.


Ebenso wichtig ist die Anerkennung und Ermöglichung von „grünem" Job Crafting, d.h. die selbstinitiierte Gestaltung bzw. Veränderung der eigenen Arbeitsaufgaben, -beziehungen oder -wahrnehmung mit dem Ziel, einen positiven Beitrag zur Umwelt zu leisten. Viele dieser Mitarbeitenden erweitern ihre Aufgaben bereits informell um nachhaltige Aspekte. Wenn Unternehmen diese Bemühungen formalisieren und fördern, können sie nicht nur die Motivation steigern, sondern auch die Organisation als Ganzes voranbringen.


Ein weiterer zentraler Punkt ist die Entwicklung klarer Karrierewege für Nachhaltigkeitsinteressierte. Ob in CSR-Abteilungen, Umweltmanagement oder neu geschaffenen Rollen – grüne Mitarbeitende sollten Perspektiven haben, ihre Überzeugungen im Unternehmen zu leben, ohne ihre Karriere zu gefährden.


 

Nachhaltigkeit als Chance für Kulturwandel


Die Arbeit grüner Mitarbeitender zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht nur von oben nach unten verordnet werden kann. Oft sind es gerade die Initiativen auf den unteren Hierarchieebenen, die den entscheidenden Impuls für eine Transformation geben. Unternehmen, die dies erkennen und fördern, profitieren von engagierten Mitarbeitenden, einer stärkeren Innovationskultur und nicht zuletzt einer authentischen Ausrichtung auf Nachhaltigkeit.


 

Quelle:


 Blazejewski, S., Dittmer, F., Buhl, A., Barth, A.S., & Herbes, C. (2020). "That is not what I live for”: How lower-level green employees cope with identity tensions at work. Sustainability,12(14), 5778. https://doi.org/10.3390/su12145778

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