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Das Umweltengagement eines Unternehmens als Wettbewerbsvorteil im Kampf um Talente

Sarah Rietze

Für Unternehmen sind qualitativ hochwertige Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen von entscheidender Bedeutung, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.


Das Gewinnen sowie die Einstellung und Bindung der besten Mitarbeitenden wird daher immer wichtiger, insbesondere angesichts des drohenden Fachkräftemangels und des Kampfes, um hochqualifizierte Talente in vielen Branchen aufgrund demografischer und wirtschaftlicher Veränderungen zu halten.


Um sich einen Ruf als attraktiver Arbeitgeber zu verschaffen, verlassen sich Organisationen häufig auf eine starke Triple-Bottom-Line, d.h. eine starke Unternehmensleistung auf den drei Ebenen Wirtschaftlichkeit, Soziales und Ökologie. Über die Homepage der Organisation, Unternehmensbroschüren, Beschreibungen in Stellenanzeigen oder Erfahrungen aktueller Mitarbeitenden, z.B. über Online-Plattformen wie Glassdoor oder Kununu können sich Bewerber:innen über das Unternehmen und deren Triple-Bottom-Line informieren. Anhand dieser Informationen bilden sich Bewerber:innen eine Meinung darüber, wie attraktiv die Organisation für sie ist bzw. wie wünschenswert sie den Arbeitsplatz wahrnehmen. Die Attraktivität einer Organisation erhöht sich im Allgemeinen, wenn die Passung zwischen Bewerber:in und Organisation hoch ist.



Eine Studie von Bohlmann und Kolleg:innen (2018) untersuchte, wie die umweltbewusste Einstellung von Einzelpersonen die Wahrnehmung der Attraktivität einer bestimmten Organisation beeinflusst und damit auch die Wahrscheinlichkeit der Bewerbung. Konkret wurden folgende Fragestellungen untersucht:

  1. Wird die Attraktivitätsbewertung einer Organisation positiv durch (a) die wirtschaftliche Leistung, (b) die soziale Leistung, und (c) die Umweltleistung von Unternehmen beeinflusst?

  2. Wird der positive Effekt der Umweltleistung von Unternehmen auf die Attraktivitätsbewertung der Organisation durch eine umweltfreundliche Einstellung verstärkt (d.h., dass der Effekt bei Personen mit einer positiveren umweltfreundlichen Einstellung im Vergleich zu einer weniger positiven umweltfreundlichen Einstellung stärker ist)?


 

Der Einfluss der Triple-Bottom-Line auf die Attraktivität einer Organisation


Ein wichtiger Teil der Personalgewinnung ist es, Bewerber:innen auf das Unternehmen aufmerksam zu machen und die wahrgenommene Attraktivität in den Augen der potenziell neuen Arbeitnehmenden zu steigern, um sie für eine Bewerbung zu überzeugen. Die Informationen, die die Bewerber:innen bereits vorab, aber auch während des Bewerbungsprozesses über das Unternehmen erhalten, spielen dabei eine wichtige Rolle, insbesondere die Informationen zu einer starken Triple-Bottom-Line. Die Attraktivität einer Organisation ist eng mit deren Reputation verknüpft, was wiederum die Überzeugungen formt, die Bewerber:innen über die Organisation haben. Wenn ein Unternehmen beispielsweise über hohe wirtschaftliche, soziale und ökologische Leistungen verfügt, sollte es bei potenziellen neuen Arbeitnehmenden einen positiveren Eindruck hinterlassen, da es sowohl wirtschaftlichen Erfolg als auch soziales und ökologisches Engagement abbildet. Potenzielle neue Arbeitnehmende bewerben sich daher eher bei der jeweiligen Organisation, die eine bessere Triple-Bottom-Line hat. Auch ob ein:e Bewerber:in ein Stellenangebot annimmt, wird von der Reputation der Organisation, als auch vom Grad des Stolzes beeinflusst, den Bewerber:innen von der Anstellung in der Organisation erwarten.

Die Ergebnisse der Studie von Bohlmann und Kolleg:innen bestätigten die Annahme, dass die Triple-Bottom-Line, d.h. die wirtschaftliche, soziale sowie ökologische Leistung einen positiven Einfluss auf die organisationale Attraktivität hat. Die soziale Leistung hat einen stärkeren Effekt als die wirtschaftliche und ökologische Leistung.


Zweitens konnte bestätigt werden, dass die Nachhaltigkeitsreputation eines Unternehmens, dargestellt durch die Triple-Bottom-Line, für Unterschiede in der wahrgenommenen Attraktivität der Organisation verantwortlich ist. Diese Erkenntnis ist wichtig, um den Rekrutierungsprozess zu verbessern und somit mehr Bewerber:innen anzuziehen.

 

Welche Rolle spielt die umweltbewusste Haltung der Bewerber:innen in diesem Zusammenhang?


Wir wissen, dass Bewerber:innen sich am stärksten von Unternehmen oder Jobs angezogen fühlen, wenn sie gut zu ihren persönlichen Zielen und Idealen passen und damit einen hohen Person-Organisation-Fit aufweisen.

In der genannten Studie wurden individuelle Unterschiede in der umweltfreundlichen Einstellung berücksichtigt und untersucht, wie sich diese Einstellung auf den Zusammenhang zwischen Umweltleistung und wahrgenommener Attraktivität des Unternehmens auswirkt. Das Konzept der Umweltleistung legt den Schwerpunkt auf die Erfüllung von Umweltstandards und Stakeholder-Bedürfnissen sowie auf eine effektive Ressourcennutzung. Bewerber:innen mit einer umweltbewussten Einstellung sollten daher einen höheren Person-Organisation-Fit wahrnehmen, wenn das Unternehmen hohe Umweltstandards erfüllt. Die Studie konnte diese Zusammenhänge bestätigen. Die Ergebnisse zeigten, dass der Zusammenhang zwischen Umweltleistung und organisatorischer Attraktivität stärker ist, wenn Einzelpersonen eine positivere Einstellung zum Umweltschutz haben.





Überraschenderweise zeigten die Ergebnisse auch, dass eine positivere Einstellung zum Umweltschutz den positiven Effekt der wirtschaftlichen Leistung eines Unternehmens auf seine Attraktivität für potenzielle Bewerber abschwächte. Dieser Befund könnte auf die weit verbreitete Annahme zurückzuführen sein, dass häufig ein starker Fokus auf Wirtschaftsleistung nicht mit einem hohen Grad an umweltfreundlichen Unternehmenspraktiken einhergeht. Daher sind Personen mit einer positiveren Einstellung zum Umweltschutz möglicherweise misstrauischer gegenüber Unternehmen mit hoher Wirtschaftsleistung und fühlen sich weniger zu ihnen hingezogen.


 

Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis?


Die Ergebnisse dieser Studie haben mehrere praktische Implikationen. Erstens tragen die Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis bei, wie und warum Bewerber:innen von Organisationen angezogen werden. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Triple-Bottom-Line für die Gewinnung von Bewerber:innen, die gut zur Organisation passen. Es überrascht daher nicht, dass eine hohe Passung zwischen Person und Organisation nicht nur der stärkste Prädiktor für die Attraktivität einer Organisation ist, sondern auch mit mehreren geschäftlichen Vorteilen zusammenhängt (z. B. verbesserte Leistung oder erhöhtes Engagement der Organisation).


Zweitens konnte bestätigt werden, dass die Nachhaltigkeitsreputation eines Unternehmens, dargestellt durch die Triple-Bottom-Line, für Unterschiede in der wahrgenommenen Attraktivität der Organisation verantwortlich ist. Diese Erkenntnis ist wichtig, um den Rekrutierungsprozess zu verbessern und somit mehr Bewerber:innen anzuziehen. Organisationen, die ein umweltfreundliches Unternehmen aufbauen oder eine umweltfreundliche Organisationskultur fördern, sollten dieses Merkmal z.B. in ihrer (digitalen) Rekrutierungsbroschüre hervorheben, um mehr Bewerber:innen gleicher Einstellung anzuziehen, was langfristig zu einer höheren Unternehmensleistung sowie Talentbindung führen wird und somit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil ermöglicht. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre öffentliche Darstellung zu überdenken und Bewerber:innen aufgrund ähnlicher Ziele und Einstellungen zu rekrutieren, anstatt sich ausschließlich auf Talente mit einem beeindruckenden Lebenslauf zu konzentrieren.




 

Quelle: Bohlmann, C., Krumbholz, L., & Zacher, H. (2018). The triple bottom line and organizational attractiveness ratings: The role of pro‐environmental attitude, 25 (5), 912-919. https://doi.org/10.1002/csr.1507


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