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Sarah Rietze

Ein Blick durch die evolutionspsychologische Brille auf umweltfreundliches Verhalten

Neben einigen anderen Hebeln haben grundlegende Entscheidungen zum Lebensstil eines jeden Einzelnen ein großes Potenzial, jährliche Emissionen zu reduzieren. Dennoch ist es nicht einfach, Menschen zu umweltfreundlichem Verhalten zu bewegen. Auch wenn viele aufgrund des Klimawandels besorgt sind, können wir von einer großen Kluft zwischen umweltfreundlichen Einstellungen und umweltfreundlichen Verhaltensweisen sprechen.


Um mehr über die tiefer liegenden Motive, die Menschen antreiben oder davon abhalten, sich nachhaltig zu verhalten, zu lernen, lohnt es sich, eine evolutionspsychologische Perspektive einzunehmen. Palomo-Vélez und Van Vugt (2021) haben fünf zentrale psychologische Mechanismen bzw. Motivationsprozesse diskutiert, die genutzt werden können, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern.


Eigeninteresse: Umweltschützer handeln auch aus Eigennutz


Wie alle Lebewesen verhalten sich auch Menschen so, dass sie in der Regel ihren eigenen Interessen Vorrang vor denen anderer geben. Derzeit besteht die Gefahr, dass das Eigeninteresse der Menschen die kollektiven Bemühungen im Umgang mit dem Klimawandel eher gefährdet. Denn im Kontext von Klima- und Umweltschutz sprechen wir eher von Verzicht und Verboten und weichen somit bereits in der Narrative davon ab, was der Mensch für sich als gut und positiv empfindet. Dabei ist Eigeninteresse eine starke Motivation für Umweltentscheidungen und sollte genutzt werden, um Menschen zu umweltfreundlichem Handeln zu motivieren.

Des Weiteren neigen Menschen dazu, alles zu tun, um langfristig ihr

genetisches Weiterleben und damit ihr eigenes Überleben sicherzustellen. Mit Blick auf umweltfreundliches Verhalten konnte so zum Beispiel bereits gezeigt werden, dass die Betonung der negativen Folgen von Umweltproblemen für ihre Kinder (d.h. ihre genetische Zukunft) die umweltfreundlichen Absichten von Menschen erhöhen.



 

Status: Umweltfreundliche Menschen werden als attraktiver wahrgenommen


Die Psychologie des Menschen ist so entwickelt, dass wir motiviert sind, Status zu suchen und zu zeigen. Wir statten uns mit wertvollen Dingen aus, um zum Beispiel potenziellen Partnern unsere nicht direkt beobachtbaren Qualitäten über einen damit einhergehenden sozialen Status zu signalisieren. Auch kann nachhaltiges und umweltfreundliches Verhalten dem Einzelnen helfen, Status zu erlangen und zu signalisieren. Eine Studie zeigte, dass der Konsum nachhaltiger Produkte die Wahrnehmung des sozialen Status des Verbrauchers unabhängig vom Produktpreis positiv beeinflusst, da diese Menschen als prosozialer wahrgenommen werden und als Partner für sozialen Austausch bevorzugt werden. Sogar in romantischen Kontexten erhöhen Signale eines umweltfreundlichen Lebensstils die Attraktivität des Absenders. Sowohl Männer als auch Frauen neigen dazu, Personen anderen Geschlechts, vor allem als attraktivere Langzeitpartner, aber auch Kurzzeitpartner einzustufen, wenn sie nachhaltige Produkte konsumieren. Zudem werden (männliche) Besitzer solcher Produkte als altruistische und engagierte Eltern und Partner wahrgenommen.

Die meisten dieser Ergebnisse beruhen auf Wahrnehmungen und Erwartungen an das Verhalten der Signalgeber und weniger auf dem tatsächlichen Verhalten. Hier konnte gezeigt werden, dass das tatsächliche Verhalten vor allem mit einer erhöhten Sichtbarkeit von Handlungen zusammenhängt. So berichten zum Beispiel Menschen von einer erhöhten Bereitschaft, für teure, umweltfreundliche Produkte zu zahlen oder auch für wohltätige Zwecke zu spenden, wenn solche Entscheidungen öffentlich sichtbar werden.

 

Wahrnehmung: Gefahren des Klimawandels über Sinne erlebbar machen


Wenn Menschen akute Gefahren erkennen, dann schaltet sich sehr schnell ein hochentwickeltes Selbstschutzsystem an, sodass Menschen in einen Kampf- oder Flucht-Modus wechseln. Man könnte meinen, dass sich dieser Modus auch in Bezug auf die Gefahren des Klimawandels einstellt. Doch dieser wird oft als ein weit entferntes, langsam voranschreitendes Problem wahrgenommen, welches unser Selbstschutzsystem nicht auslöst.

Ein Weg könnte allerdings das Anbieten von unmittelbaren Hinweisen sein, die über unsere primären Sinnesmechanismen (Riechen, Sehen und Hören) wahrgenommen werden können. Die Energieforschung zeigt zum Beispiel, dass die Visualisierung von Wärmeenergie die Bereitschaft der Haushalte zu energiesparendem Verhalten erhöht. Sensorische Informationen können auch dafür genutzt werden, öffentliche Räume sauber zu halten und Plastikverbrauch zu reduzieren. Es zeigte sich, dass allein der Geruch von Reinigungsmitteln in Zügen die Vermüllung verringert.

Ein stärkeres umweltfreundliches Engagement kann auch durch die Ansprache bestimmter Emotionen ausgelöst werden. Insbesondere auf Ekel basierende Überzeugungsstrategien scheinen ein effektiver Weg zu sein, um Essgewohnheiten zu ändern. So wirkt sich beispielsweise die Verknüpfung von Fleischprodukten mit evolutionär relevanten Bedrohungen wie zum Beispiel Krankheitserregern negativ auf die Einstellung zum Fleischkonsum aus. Gleichzeitig sind Ekelgefühle auch ein bedeutendes Hindernis für die Akzeptanz nachhaltiger Lebensmittel-Innovationen wie im Labor gezüchtetes Fleisch oder essbare Insekten.

 

Kurzsichtigkeit: Der Klimawandel scheint zu weit weg zu sein


Eine weitere evolutionspsychologische Erkenntnis ist, dass Menschen unmittelbare Belohnungen gegenüber weit entfernten, ungewissen Belohnungen bevorzugen. Je weiter weg Belohnungen und Vorteile wahrgenommen werden, umso mehr werten wir diese ab und nehmen sie als weniger sicher wahr. Das ist eine der Hauptursachen, warum viele Menschen sich wenig Sorgen um Umweltprobleme machen und weniger bereit sind, diese zu verhindern. Allerdings kann diesem Phänomen teilweise durch situative Faktoren entgegengewirkt werden, indem zum Beispiel die Belohnung in die Gegenwart gerückt wird. So wirkt sich ein regelmäßiger Aufenthalt in der Natur im Vergleich zu einem Aufenthalt in städtischen Umgebungen positiv auf umweltbezogene Entscheidungen aus.

 

Soziale Nachahmung: Wir neigen dazu, das Verhalten anderer zu imitieren



Theorien der kulturellen Evolution gehen davon aus, dass sich soziales Lernen und Nachahmen entwickelt hat, um die Kosten des Lernens durch Versuch und Irrtum zu minimieren und damit eine wichtige Überlebensstrategie von Menschen darstellen. Im Hinblick auf den Klimaschutz könnte die Tendenz, andere zu imitieren, nützlich sein, wenn sich die Mehrheit der Menschen nachhaltig verhalten würde. Leider ist oft das Gegenteil der Fall. Die Anwesenheit anderer Menschen verstärkt zum Beispiel momentan eher die Tendenz zum übermäßigen Kauf von Lebensmitteln und zu einer größeren Lebensmittelverschwendung.

Doch wir können unsere Neigung zur sozialen Nachahmung auch für die Förderungen von Klimaschutzmaßnahmen nutzen. So führt beispielsweise ein immer größerer wahrgenommener wissenschaftlicher Konsens über den Klimawandel dazu, dass die Menschen der Bekämpfung des Klimawandels mehr Priorität einräumen. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Wahrnehmung, dass enge Freunde und Familienmitglieder sich um den Klimawandel kümmern, das eigene Engagement stärken.

 
"Auch wenn viele aufgrund des Klimawandels besorgt sind, können wir von einer großen Kluft zwischen umweltfreundlichen Einstellungen und umweltfreundlichen Verhaltensweisen sprechen."

Wie können wir evolutionspsychologische Erkenntnisse für den Umweltschutz nutzen


Obwohl jedes der oben genannten Motive potenzielle Ansatzpunkte für die Entwicklung von Maßnahmen zur Steigerung des Umweltschutzes bietet, müssen sie im richtigen Kontext aktiviert werden, um wirksam zu sein. Nehmen wir zum Beispiel das Status-Motiv. In dem Bestreben, einen grünen Ruf zu erlangen, könnten Menschen in manchen Fällen auch mehr wiederverwertbare Einkaufstaschen kaufen, als sie wirklich brauchen. Oder sie fokussieren sich vor allem darauf, ihr grünes Image in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen, als wirklich etwas zu tun.


Allerdings können die Erkenntnisse genutzt werden, um z.B. die Wirksamkeit von Umweltkommunikation zu erhöhen. So können umweltbezogene Appelle, die die Eigeninteressen von Menschen, die eigene Zukunft und die Zukunft nachfolgender Generationen in den Vordergrund stellen, ein breiteres Publikum ansprechen. Auch könnten Interventionen so gewählt werden, dass sie das Statusmotiv stärken, z.B. über öffentliche Aktivitäten oder das Teilen von umweltfreundlichen Geschichten und Bildern. Die Tendenz des sozialen Nachahmens sollte alle engagierten Menschen dazu motivieren, stärker über ihr umweltfreundliches Verhalten zu berichten und versuchen, andere mit einzubinden und zu aktivieren. Vor allem sollten wir auch Sinne und Emotionen in der Gegenwart ansprechen, um uns das Problem des Klimawandels immer wieder bewusst zu machen. Denn eines ist Gewiss - der Großteil der Menschheit wünscht sich saubere Luft und sauberes Wasser, gesundes und abwechslungsreiches Essen, schöne Erlebnisse in der Natur mit einer großen Tier- und Artenvielfalt und ein friedliches Miteinander auf unserem Planeten.



Quelle: Palomo-Vélez, G. & Van Vugt, M. (2021). The evolutionary psychology of climate change behaviors: Insights and applications. Current Opinion in Psychology, 42, 54-59. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2021.03.006





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