Die Eindämmung des globalen Klimawandels ist eine der dringendsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad oder weniger zu begrenzen, sind deutliche Veränderungen seitens der Politik und der Industrie erforderlich. Doch auch jede:r Einzelne kann zur Eindämmung des Klimawandels beitragen, indem er/sie sein/ihr Verhalten und den Lebensstil ändert. Der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) weist darauf hin, dass Änderungen im Nachfrageverhalten inkl. individueller Verhaltensänderungen die CO2-Emissionen bis 2050 um 40% bis 70% reduzieren könnten.
Individuelles Verhalten, das schädliche Emissionen und Umweltschäden im Allgemeinen reduziert, wird als umweltfreundliches Verhalten bezeichnet. Obwohl viele Menschen die Ursachen des Klimawandels verstehen und ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, tun sie nicht genug, um ihre Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt zu verringern. Menschen zu (mehr) umweltfreundlichen Verhaltensweisen zu motivieren, ist daher eine zentrale Herausforderung. Valkengoed und Kollegen (2022) gingen dieser Frage nach, indem sie systematisch untersuchten, welche Einflussfaktoren Auswirkungen auf umweltfreundliches Verhalten haben und welche damit verbundenen Interventionen wirksam sein könnten, um Verhaltensänderungen anzustoßen.
Sie haben folgende 13 Einflussfaktoren des Umweltverhaltens identifiziert:
1. Wissen
Ein allgemein angenommener Grund, warum Menschen nicht umweltbewusst handeln, ist, dass ihnen das Wissen über die Ursachen und Auswirkungen von Umweltproblemen fehlt. Umgekehrt geht das Modell des Wissensdefizits davon aus, dass Menschen umweltfreundlicher handeln, wenn sie über ausreichendes Wissen über Umweltprobleme (z.B. dass der Klimawandel durch die Emission von Treibhausgasen aufgrund der Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht wird) und die Folgen von Umweltproblemen (z.B. dass der Klimawandel zum Anstieg des Meeresspiegels, zum Verlust der biologischen Vielfalt und zur Zunahme extremer Wetterereignisse führt) verfügen.
2. Risikowahrnehmung
Die Wahrnehmung von Umweltrisiken bezieht sich auf die Bewertung der Wahrscheinlichkeit und Schwere einer bestimmten Umweltgefahr. Je mehr Risiko die Menschen wahrnehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich umweltfreundlich verhalten, um dieses Risiko zu verringern.
3. Negative Gefühle
Negative Gefühle aufgrund von Umweltproblemen umfassen Emotionen wie zum Beispiel Besorgnis, Sorge oder Angst. Negative Gefühle können Menschen dazu motivieren, Maßnahmen zu ergreifen, indem sie sich umweltfreundlicher verhalten, um diese meist unangenehmen Gefühle zu lindern.
4. Problembewusstsein
Problembewusstsein umfasst das Bewusstsein, dass das Ausführen oder Nicht-Ausführen bestimmter Verhaltensweisen Umweltprobleme verstärkt. Ein höheres Problembewusstsein hängt mit einem stärkeren Engagement für umweltfreundliches Verhalten zusammen.
5. Zuschreibung von Verantwortung
Die Zuschreibung von Verantwortung bezieht sich auf das Ausmaß, in dem sich Menschen für die (negativen) Folgen ihres Handelns für die Umwelt verantwortlich fühlen. Je mehr sie sich verantwortlich fühlen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ein umweltfreundliches Verhalten an den Tag legen.
6. Persönliche Normen
Persönliche Normen für umweltfreundliches Verhalten beziehen sich auf die empfundene moralische Verpflichtung eines Menschen, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen oder zu unterlassen. Je stärker die Menschen an einer persönlichen Norm für umweltfreundliches Verhalten festhalten, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich entsprechend dieser Norm verhalten, da die Menschen motiviert sind, in ihrem Denken und Handeln konsequent zu sein. Persönliche Normen können durch eine Selbstverpflichtung, d.h. ein bestimmtes, umweltfreundliches Verhalten zu versprechen, aber auch durch Wissensvermittlung gestärkt werden.
7. Selbstbezogene Emotionen
Wenn Menschen umweltbewusst handeln, fühlen sie sich möglicherweise gut und erleben selbstbezogene positive Emotionen wie z.B. Stolz. Da sich Menschen gern gut fühlen, kann die Erwartung dieser positiven, auf sich selbst bezogenen Emotionen ein wichtiger Motivator für umweltfreundliches Verhalten sein.
Umgekehrt können Menschen, die sich nicht umweltfreundlich verhalten, negative selbstbezogene Emotionen wie Schuldgefühle und Bedauern empfinden. Die Vorwegnahme solcher negativen Gefühle kann sie motivieren, sich umweltfreundlich zu verhalten, um weitere negative Gefühle zu vermeiden. Neben Wissenszuwachs kann auch Feedback zur Sensibilisierung der Menschen für ihr eigenes Verhalten Einfluss auf die Emotionen und damit das umweltfreundliche Verhalten nehmen.
8. Einstellung zu einem Verhalten
Die Einstellung zu einem Verhalten bezieht sich auf das Ausmaß, in dem eine Person ein bestimmtes Verhalten positiv oder negativ bewertet, was auf den Überzeugungen und der Bewertung der Kosten und Vorteile des Verhaltens beruht. Je positiver die Einstellung einer Person zu einem umweltfreundlichen Verhalten ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie dieses Verhalten auch zeigt. Neben der Bereitstellung von Informationen können hier v.a. auch Anreize eingesetzt werden, die Kosten und Nutzen eines bestimmten Verhaltens verändern. Eine Belohnung für umweltfreundliches Verhalten (z.B. ein Rabatt auf einen Kaffee in der Unternehmenskantine, wenn man einen wiederverwendbaren Becher mitbringt) kann die positive Einstellung zu diesem Verhalten erhöhen.
9. Deskriptive Normen
Die Wahrnehmung deskriptiver Normen bezieht sich auf das Ausmaß, in dem Menschen glauben, dass andere ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen und es damit als normativ und dadurch auch vernünftig eingestuft wird. Wenn Menschen glauben, dass viele Andere sich umweltfreundlich verhalten, ist es wahrscheinlicher, dass sie diese deskriptive Norm befolgen und sich ebenfalls umweltfreundlich verhalten, um soziale Stigmatisierung zu vermeiden. Die Wahrnehmung der deskriptiven sozialen Norm kann durch die Bereitstellung von Informationen über die deskriptive Norm, durch soziales Vergleichsfeedback oder auch gruppenbezogenes Feedback gesteigert werden, z.B. in Bezug auf das eigene umweltfreundliche Verhalten im Team im Vergleich zu anderen Teams im Unternehmen. Wichtig hierbei ist, dass diese Vergleichsmaßnahmen nur wirksam sind, wenn sie zeigen, dass andere sich umweltfreundlicher verhalten. Wenn die Rückmeldung zeigt, dass andere weniger umweltfreundlich handeln, kann dies einen negativen Effekt auslösen, bei dem die Menschen anfangen könnten, weniger umweltfreundlich zu handeln, um der beschreibenden Norm zu entsprechen. Wenn ein Verhalten noch nicht normativ ist, können dynamische Norminformationen effektiver sein. Das sind Informationen, die darauf hinweisen, dass eine wachsende Zahl von Menschen ihr Verhalten ändert. Solche Informationen können den Menschen signalisieren, welches Verhalten in naher Zukunft normativ sein könnte, dem die Menschen vielleicht schon heute entsprechen wollen.
10. Injunktive Normen
Die Wahrnehmung von injunktiven Normen bezieht sich auf das Ausmaß, in dem Menschen glauben, dass ein Verhalten von Menschen oder Gruppen, die ihnen wichtig sind, allgemein gebilligt oder missbilligt wird. Je stärker die Menschen eine injunktive Norm für umweltfreundliches Verhalten wahrnehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich an diese Norm halten, dass sie die sozialen Sanktionen vermeiden, die mit der Verletzung einer Norm verbunden sind, und dass sie soziale Anerkennung erhalten, wenn sie im Einklang mit injunktiven Normen handeln. Hier können z.B. Informationen über injunktive Normen, die darauf hinweisen, dass viele Menschen ein bestimmtes Verhalten gutheißen oder missbilligen, die Wahrnehmung dieser Normen verändern.
11. Selbstwirksamkeit
Selbstwirksamkeit bezieht sich auf das Ausmaß, in dem sich Menschen in der Lage fühlen, eine bestimmte Handlung durchzuführen. Umso eher Menschen sich in der Lage fühlen, eine bestimmte Handlung durchzuführen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie dies auch tun. Die einfachste Möglichkeit, das Selbstwirksamkeitsgefühl der Menschen zu steigern, besteht darin, ihnen Informationen darüber zu geben, wie sie ein bestimmtes Verhalten ausführen können, z.B. Informationen darüber, wie man im Büro Energie spart. Darüber hinaus kann die Selbstwirksamkeit ebenfalls über Informationen zu Normen erhöht werden, da die Menschen eher ein bestimmtes Verhalten zeigen, wenn es bereits viele andere tun. Die Selbstwirksamkeit kann auch durch Zielsetzung für ein Ergebnis gesteigert werden. Wenn Ziele spezifisch, realistisch und klar definiert sind, können sie ein gewünschtes abstraktes Ergebnis (z.B. die Verringerung des CO2-Fußabdrucks) konkreter machen, indem sie die einzelnen Schritte umreißen, die die Menschen unternehmen könnten.
12. Ergebniswirksamkeit
Die Ergebniswirksamkeit ist definiert als das Ausmaß, in dem die Menschen ihr Verhalten als wirksamen Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen wahrnehmen. Je höher das Gefühl von Ergebniswirksamkeit, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich an einem umweltfreundlichen Verhalten beteiligen. Hierbei hilft die Vermittlung von Informationen zu den Folgen persönlichen Verhaltens als auch historisches Feedback. Letzteres umfasst einen Vergleich des aktuellen Verhaltens mit dem Verhalten in der Vergangenheit (z.B. Energieverbrauch im letzten Monat im Vergleich zum Energieverbrauch im gleichen Monat des letzten Jahres).
13. Ökologisches Selbstverständnis
Das ökologische Selbstverständnis bezieht sich auf das Ausmaß, in dem sich die Menschen selbst als umweltfreundlich betrachten, und scheint ebenfalls eine wichtige Determinante für umweltfreundliches Verhalten zu sein. Menschen streben nach einem Gefühl der Übereinstimmung zwischen ihren Gedanken und Handlungen und sind motiviert, im Einklang mit ihrem Selbstbild zu handeln. Das ökologische Selbstverständnis kann z.B. auch durch eine Selbstverpflichtung oder durch Feedback gestärkt werden.
Welche Interventionen lassen sich aus den Einflussfaktoren ableiten?
Diese Vielzahl an Einflussfaktoren, die bei der Erklärung von Umweltverhalten eine wichtige Rolle spielen, können für Interventionen für mehr umweltfreundliches Verhalten am Arbeitsplatz genutzt werden. Dafür haben die Autorinnen ein Klassifizierungssystem entwickelt, das verschiedene Arten von Interventionen mit den 13 identifizierten Einflussfaktoren des Umweltverhaltens verknüpft. Diese sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.
Überblick über mögliche Interventionen zur Beeinflussung umweltfreundlichen Verhaltens
1. Bereitstellung von Informationen Menschen mit Informationen versorgen (z.B. über Umweltprobleme, Verhaltensfolgen, soziale Normen oder die Ausführung eines Verhaltens)
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2. Selbstverpflichtung Menschen, die sich verpflichten oder versprechen, ein bestimmtes umweltfreundliches Verhalten an den Tag zu legen (oder von einem umweltschädlichen Verhalten Abstand zu nehmen)
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3. Feedback Bereitstellung von Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Personen in der Vergangenheit
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4. Anreize Belohnung für umweltfreundliches Verhalten oder Bestrafung für umweltschädliches Verhalten
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5. Zielsetzung Menschen setzen sich ein (Verhaltens-)Ziel, das sie erreichen wollen |
6. Einfluss auf automatisierte Entscheidungen Änderung des Umfelds, in dem die Menschen Entscheidungen treffen, ohne die Menschen in ihren Wahlmöglichkeiten einzuschränken und ohne die tatsächlichen Kosten und Vorteile von Maßnahmen zu beeinflussen |
Als zusätzliche Kategorie zu den oben erörterten Ableitungen identifizieren sie unter Punkt 6 den Einfluss auf automatische Entscheidungsprozesse als wichtige Intervention. Wenn Menschen nur wenig Zeit, kognitive Ressourcen oder Motivation haben, um alle möglichen Optionen für eine Entscheidung zu bewerten, verlassen sie sich eher auf automatische und heuristische Entscheidungsprozesse. Interventionen auf automatischer Entscheidungsebene (auch Nudges genannt) zielen darauf ab, umweltfreundliches Verhalten zu fördern, indem sie den Kontext, in dem Menschen Entscheidungen treffen, verändern, ohne die Menschen in ihren Wahlmöglichkeiten einzuschränken und ohne die (wahrgenommenen) tatsächlichen Kosten und Vorteile von Maßnahmen zu beeinflussen. Beispiele hierfür sind, dass umweltfreundliche Optionen bei einer Entscheidung standardmäßig ausgewählt werden oder stärker ins Auge fallen (z.B. beidseitiges Drucken als Default-Einstellung), oder dass strategische Erinnerungen oder Aufforderungen an relevanten Stellen platziert werden, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern (z. B. die Erinnerung daran, das Licht auszuschalten über ein Comic an der Toilettentür).
Die Ergebnisse dienen als wichtige Leitlinien bei der Auswahl von Interventionen, die den wahrscheinlich größten Erfolg bei der Verhaltensänderung haben
Die vorgestellte Klassifizierung ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung eines theoriebasierten Verständnisses der Mechanismen, durch die Interventionen letztlich zu Verhaltensänderungen führen. Dies ist dringend erforderlich, um besser zu verstehen, wann und warum Interventionen zur Förderung umweltfreundlichen Verhaltens wirksam oder nicht wirksam sind.
Die Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Arten von Maßnahmen theoretisch auf dieselben Verhaltensdeterminanten abzielen können. So können beispielsweise sowohl die Bereitstellung von Informationen als auch Kommunikationsmaßnahmen eingesetzt werden, um die persönlichen Normen der Menschen für umweltfreundliches Verhalten zu stärken. Diese Kombination von Interventionsansätzen kann daher besonders wirksam sein.
Wichtig ist auch zu betonen, dass sich einige Maßnahmen das psychologische Prinzip der Konsistenz zunutze machen. Dies ist ein starkes Prinzip für Verhaltensänderungen, da Menschen motiviert sind, in ihren Gedanken und ihrem Verhalten (scheinbar) konsistent zu sein. Insbesondere können Verpflichtungen, Zielsetzungen und Feedback die Menschen auf eine (mögliche) Diskrepanz zwischen ihren Verpflichtungen, Zielen oder Gedanken und ihrem tatsächlichen Verhalten aufmerksam machen. Da Menschen bestrebt sind, konsistent zu sein, empfinden sie wahrscheinlich negative Emotionen, wenn eine solche Diskrepanz wahrgenommen wird, was sie dazu motivieren kann, ihr Verhalten zu ändern.
Es gibt auch weitere Faktoren, die hier nicht berücksichtigt wurden, welche aber das Ausmaß, in dem Interventionen funktionieren oder nicht funktionieren, wesentlich beeinflussen können. Das sind zum Beispiel individuelle Merkmale wie Persönlichkeit, Werte oder politische Ansichten. So wird beispielsweise die Bereitstellung von Informationen über die Auswirkungen des eigenen Verhaltens auf die Umwelt wahrscheinlich effektiver sein, wenn die Menschen mehr Wert auf umweltfreundliches Verhalten legen. Ebenso kann die Gestaltung von Informationen, die der politischen Orientierung der Menschen entsprechen, zu mehr Verhaltensänderungen führen, insbesondere in Ländern, in denen das Thema Klimawandel stark politisiert ist. Menschen sind möglicherweise auch unterschiedlich empfänglich für Informationen über soziale Normen, was kulturell bedingt sein kann.
Die Klassifizierung bietet eine wertvolle, praktische Leitlinie für politische und unternehmerische Entscheidungsträger, die Interventionen durchführen wollen. Folgende Punkte sollten dabei unbedingt beachtet werden:
Interventionen sollten sich auf Verhaltensweisen mit nachweislich großen Auswirkungen auf die Umwelt konzentrieren.
Auf der Grundlage von fallspezifischen Daten sollte ermittelt werden, welche Faktoren die Menschen daran hindern oder es ihnen ermöglichen, sich auf ein bestimmtes Verhalten einzulassen (oder es zu beenden).
Auf Basis dieser Analyse sollen geeignete Interventionen definiert werden, die auf die wichtigsten Determinanten abzielen. Wichtig ist, dass in vielen Fällen ein Einwirken auf eine Kombination verschiedener Arten von Determinanten umweltfreundlichen Verhaltens sinnvoll ist.
Bei der Auswahl der in der Praxis umzusetzenden Maßnahmen ist es entscheidend, nicht nur die kurzfristige Wirksamkeit der Maßnahmen auf das angestrebte Verhalten zu berücksichtigen, sondern auch ihre umfassenderen und längerfristigen Auswirkungen.
Quelle:
van Valkengoed, A. M., Abrahamse, W., & Steg, L. (2022). To select effective interventions for pro-environmental behaviour change, we need to consider determinants of behaviour. Nature Human Behaviour, 6(11), 1482–1492. https://doi.org/10.1038/s41562-022-01473-w