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Haben nachhaltige Unternehmen gesündere Mitarbeitende?!

  • Autorenbild: Sarah Rietze
    Sarah Rietze
  • vor 5 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 5 Tagen


Nachhaltigkeit mit Nebenwirkungen?


Immer mehr Organisationen setzen sich ambitionierte Nachhaltigkeitsziele – CO₂-Reduktion, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Lieferketten. Green Offices, klimaneutrale Meetings und grüne Mobilitätskonzepte gehören vielerorts längst zum Standard.

Was dabei häufig übersehen wird: Die grüne Transformation betrifft nicht nur Prozesse und Produkte – sie verändert auch die Arbeit selbst. Und damit die Menschen, die sie leisten.


Ein aktueller Review-Beitrag von Stein, Kühner und Zacher (2025) zeigt eindrucksvoll: Ökologische Nachhaltigkeit und Mitarbeiterwohlbefinden sind eng miteinander verwoben. Die gute Nachricht: Es gibt viele positive Effekte. Die schlechte: Es gibt auch Risiken.


Für Führungskräfte ergibt sich daraus ein klares Mandat: Nachhaltiges Führen muss das Wohlbefinden der Mitarbeitenden aktiv mitdenken – oder riskiert, an seinen eigenen Ambitionen zu scheitern.



Die Review-Studie im Überblick: Was wurde untersucht?


Die Forschungsgruppe an der Universität Leipzig analysierte 25 internationale empirische Studien zur Frage, wie sich ökologische Nachhaltigkeitsinitiativen in Organisationen auf das psychische und physische Wohlbefinden von Mitarbeitenden auswirken – und umgekehrt.

Dabei zeigen sich fünf zentrale Erkenntnisse:


  • Nachhaltige Arbeitsumgebungen können gesund machen, etwa durch bessere Luftqualität, Biophilie, oder aktive Mobilitätsanreize.

  • „Green Behavior“ am Arbeitsplatz gibt Sinn – Mitarbeitende erleben ihre Arbeit als bedeutsamer und identitätsstiftender.

  • Nachhaltigkeit kann aber auch belasten, z.B. wenn Maßnahmen als zusätzlicher Druck empfunden werden oder bei fehlender organisationaler Unterstützung.

  • Wohlbefinden beeinflusst grünes Verhalten: Nur wer sich psychologisch sicher und energievoll fühlt, kann und will sich nachhaltig verhalten.

  • Führung hat eine Schlüsselfunktion – als Ermöglicherin oder Barriere.



Zwischen Selbstwirksamkeit und Erschöpfung: Die Ambivalenz des Green Engagement


Was auf den ersten Blick wie ein klarer Win-win aussieht, erweist sich bei genauerem Hinsehen als komplexe Wechselwirkung:


  • Wenn Mitarbeitende in Umweltthemen Verantwortung übernehmen dürfen, erleben sie oft mehr Selbstwirksamkeit und Zufriedenheit.

  • Gleichzeitig kann das Engagement in nachhaltigen Projekten – besonders bei fehlender Anerkennung oder strukturellem Widerstand – zu emotionaler Erschöpfung und Frustration führen.


Die Forschenden sprechen von „Environmental Citizenship Fatigue“ – einer Art grünem Burnout-Syndrom für besonders engagierte Mitarbeitende.



Wie Führungskräfte mit ökologischer Verantwortung das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden fördern können – und warum sie es müssen


Führungskräfte stehen vor einem Dilemma: Einerseits sollen sie die nachhaltige Transformation vorantreiben. Andererseits dürfen sie dabei nicht riskieren, die psychischen Ressourcen der Mitarbeitenden zu überfordern.


Die Studie schlägt deshalb ein integratives Modell vor, das ökologische Nachhaltigkeit und Mitarbeiterwohlbefinden nicht als Zielkonflikt, sondern als wechselseitige Bedingung begreift.


Was können Führungskräfte konkret tun, um nachhaltige Entwicklung mit Mitarbeiterwohlbefinden zu verbinden? Die Studie liefert Impulse für die Praxis:


  1. Motivation verstehen: Mitarbeitende engagieren sich dann für Umweltziele, wenn sie sich kompetent, autonom und sozial eingebunden fühlen. Führungskräfte können sollten diese psychologischen Bedürfnisse ernst nehmen und systematisch fördern.

  2. Ressourcen schützen: Proaktives Umweltverhalten kostet Energie. Wer permanent überlastet ist, hat keine Kapazitäten für „grünes Zusatzengagement“.

  3. Beteiligung statt Belastung: Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht als „Top-down“-Pflicht verkaufen, sondern mit Mitarbeitenden gemeinsam gestalten. Wenn Nachhaltigkeit „von oben“ verordnet wird, kann das Autonomie- und Sinnverlust auslösen. Partizipative Formate schaffen Akzeptanz und stärken die Identifikation und Selbstwirksamkeit.

  4. Mikroverhalten stärken: Kleine alltägliche „grüne“ Handlungen sichtbar machen und wertschätzen. So entsteht eine nachhaltige Kultur „von unten“.

  5. Ambivalenzen anerkennen: Nicht jede grüne Maßnahme ist automatisch „gut“. Führungskräfte müssen Zielkonflikte offen ansprechen – etwa zwischen Effizienz und Nachhaltigkeit – und transparente Priorisierungen ermöglichen.

  6. Emotionale Signale beachten: Emotional erschöpfte Mitarbeitende haben weder Ressourcen noch Motivation für „grüne Extra-Meilen“. Ein frühes Erkennen von Belastungen ist essenziell – z.B. durch Feedback, Gespräche, oder Stimmungsbarometer.

  7. Wohlbefinden als KPI verankern: Nachhaltigkeit darf kein „add-on“ sein – sie muss mit Gesundheit und Wohlbefinden zusammengedacht und gemessen werden.

  8. Vorbild sein – aber menschlich: Führungskräfte sind Multiplikatoren, aber keine Superheld:innen. Authentisches, reflektiertes Vorleben von Green Behavior wirkt stärker als Hochglanz-Strategien.



Fazit: Nachhaltige Führung ist Beziehungsarbeit


Die grüne Transformation ist kein rein technisches Projekt. Sie ist ein tiefgreifender kultureller Wandel, der Arbeit, Rollen und Identitäten neu definiert.

Wer diesen Wandel als Führungskraft begleiten will, braucht mehr als Strategien und Zertifikate: Er oder sie braucht Beziehungskompetenz, Reflexionsfähigkeit und echtes Interesse an den Menschen im System.


Denn: Nachhaltige Organisationen entstehen nur mit gesunden, motivierten, eingebundenen Mitarbeitenden.



Quelle: Stein, M., Kühner, C. & Zacher, H. (2025). Exploring the hidden connections between organizational environmental sustainability and employee well-being. In Harms, P. D. & Chang, C.-H. (Eds.), Stress and well-being and the changing nature of work (Vol. 23). Emerald Publishing Limited

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