Der Klimawandel findet statt. Wir sehen bereits die direkten Auswirkungen in Form von Hitzewellen, Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Waldbränden und Dürren. Dazu kommen weniger direkt sichtbare, aber teilweise noch wichtigere Veränderungen, wie z.B. das Ansteigen der Durchschnittstemperatur, des Meeresspiegels und die Veränderung der Niederschlagsmuster. Obwohl der Klimawandel lange als ein Problem behandelt wurde, das nur die Eisbären betrifft, wird nun immer deutlicher, dass es auch direkte Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden hat und das sowohl unsere körperliche Gesundheit (z.B. durch Hitze oder zunehmen Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten) als auch unsere psychische Gesundheit (z.B. zunehmende Stressbelastung, Depression oder Angstzustände nach Naturkatastrophen) stark beeinträchtigt.
In den letzten Jahren wurde insbesondere auch auf einen indirekten Effekt zwischen Klimawandel und psychischer Gesundheit aufmerksam gemacht. Hierbei wird besonders von Ängsten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Klimawandels gesprochen, selbst bei Menschen, die persönlich keine direkten Auswirkungen erlebt haben. Die Begriffe Klima- und Umweltangst sind heute aus den Medien nicht mehr wegzudenken. Es ist wichtig, diese Angstreaktion genauer zu verstehen, da sie eine große Breite von Menschen betrifft oder potenziell betreffen kann.
Was ist Klimaangst?
Angst vor dem Klimawandel beinhaltet die von Menschen selbst berichteten negativen emotionalen Reaktionen, die mit ihrem Bewusstsein für den Klimawandel verbunden sind (Clayton, 2020).
Clayton und Karazsia (2020) schlagen ein Instrument zur Messung des Konstrukts Klimaangst vor. Dieses Instrument misst Reaktionen wie Besorgnis und Stress, vermindertes Wohlbefinden sowie Konzentrations- und Schlafstörungen aufgrund der Gedanken der Menschen zum Klimawandel. Das Maß für Klimaangst umfasst zwei Subskalen: eine Subskala zur Bewertung der kognitiv-emotionalen Beeinträchtigung (z.B. „Der Gedanke an den Klimawandel erschwert mir den Schlaf”) und eine zur Bewertung der funktionellen Beeinträchtigung (z.B. „Meine Bedenken hinsichtlich des Klimawandels erschweren es mir, Spaß mit meiner Familie oder meinen Freunden zu haben“). In den Studien, in denen Klimaangst gemessen wurden, konnte gezeigt werden, dass ein kleiner, aber nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung (zwischen 17 und 27%) ein gewisses Maß an Klimaangst angibt, die sich auf ihre Fähigkeit zu funktionieren auswirkte. Im Allgemeinen gaben jüngere Altersgruppen höhere Werte an als ältere Erwachsene. In der folgenden Tabelle sind die Fragen zur Messung von Klimaangst aufgeführt.
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Quelle: Clayton und Karazsia, 2020
Ist Klimaangst pathologisch?
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Unterscheidung von Angst und psychischer Beeinträchtigung. Denn Angst selbst weist nicht unbedingt auf ein psychisches Problem hin. Tatsächlich kann Angst eine adaptive Funktion haben - als zukunftsorientierte Haltung, die das Herannahen einer Bedrohung signalisiert und Menschen dazu motivieren kann, sich angemessen vorzubereiten. Angst kann auch klinisch signifikant werden, wenn sie schwer zu kontrollieren ist und die Fähigkeit einer Person bzgl. Schlaf, Arbeit und Leistungsfähigkeit sowie die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte negativ beeinträchtigt.
Es ist sehr wichtig, eine Pathologisierung der emotionalen Reaktion auf den Klimawandel zu vermeiden, denn das würde implizieren, dass die Angstreaktion ggf. unangemessen ist. Bei der Diskussion um Klimaangst als psychische Beeinträchtigung ist es essentiell zu verstehen, dass es sich hier um eine echte Bedrohung handelt und die Angst berechtigt ist (im Vergleich zu z.B. sozialen Phobien). Sich Sorgen wegen des Klimawandels zu machen, ist richtig, denn dieser ist in vollem Gange. So sollte der Fokus vor allem darauf gerichtet werden, die Existenz von Klimaangst bewusst zu machen und denjenigen, die davon betroffen sind, Hilfe und Ressourcen zum Umgang mit der Angst zur Verfügung zu stellen, um ein positives Handeln zu ermöglichen.
Klimaangst und Klimaverhalten
Einerseits könnte man davon ausgehen, dass Klimaangst als Motivationsquelle dient, um eine verhaltensbezogene Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel zu fördern. Andererseits könnte Klimaangst auch als Quelle für “Öko-Lähmung” dienen, d.h. Menschen daran hindern, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. So konnte gezeigt werden, dass Klimastress ein starker Prädiktor für Engagement und eine adaptive Verhaltensreaktion ist und damit eine nützliche Funktion erfüllt. In einer Umfrage der American Psychological Association von 2019 gaben Personen mit Klimaangst mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit (87 %) an, dass sie motiviert seien, ihr Verhalten zu ändern, um ihren Beitrag zum Klimawandel zu reduzieren. Clayton und Karazsia (2020) stellten in ihrer Studie allerdings fest, dass Klimaangst weder positiv noch negativ mit Verhalten korreliert. Diese inkonsistenten Ergebnisse könnten das Spannungsverhältnis zwischen motivierender und lähmender Wirkung widerspiegeln.
Insgesamt sollte das Ziel dennoch sein, die Angst vor dem Klimawandel zu reduzieren, da sich gezeigt hat, dass sie nachteilige Folgen für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen haben kann.
"Tatsächlich kann Angst eine adaptive Funktion haben - als zukunftsorientierte Haltung, die das Herannahen einer Bedrohung signalisiert und Menschen dazu motivieren kann, sich angemessen vorzubereiten."
Was können wir gegen Klimaangst tun?
Eine zentrale Frage in dem Zusammenhang ist, was wir gegen die Klimaangst tun können: Erstens zur Steigerung unseres individuellen Wohlbefindens und zweitens zur Überwindung von Lähmung und Steigerung unseres eigenen Engagements, um das gesellschaftliche Wohlergehen zu fördern.
Auf der Ebene des individuellen Wohlbefindens können wir Menschen darin stärken, effektiv mit ihren eigenen emotionalen Reaktionen umzugehen. Dabei können wir verschiedene Bewältigungsstrategien unterscheiden, die in dem Kontext unterschiedlich sinnvoll sind. Emotionsfokussierte Bewältigungsstrategien wie kognitive Umdeutungstechniken dienen dazu, die Einschätzung der direkten Bedrohung abzuschwächen, um ihre Angstzustände abzubauen. Dies kann kurzfristig helfen, aber solange das Problem des Klimawandels real bestehen bleibt, ist es unwahrscheinlich, dass diese Strategie langfristig wirksam und sinnvoll ist, denn sie trägt nicht zur Förderung des gesellschaftlichen Wohlergehens bei. Eine problemorientierte Bewältigung beinhaltet z.B. sich über das Problem zu informieren oder mit anderen darüber zu sprechen. Dies könnte sich positiv auf die Bewertung der eigenen Fähigkeiten, Verhaltensänderungen zu zeigen und daran zu arbeiten, gesellschaftliche Veränderung zu fördern, auswirken und hängt somit auch mit einem höheren Maß an Verhaltensengagement und Wirksamkeit zusammen. Auch eine sinnorientierte Bewältigungsstrategie, in der man auf die eigenen Überzeugungen, Werte und Ziele zurückgreift, um positive Gefühle hervorzurufen, kann sinnvoll sein, um negative, emotionale Reaktionen auf Stressoren abzuschwächen und das Problem aktiv anzugehen.
Als therapeutische Interventionen zur Förderung des individuellen Wohlbefindens werden noch weitere Maßnahmen diskutiert. Das Thema Klima ist häufig mit einem hohen Grad an sozialer Polarisierung verbunden, was Ablehnung im Umfeld oder Streit auslösen kann. So kann bereits eine offene Diskussion über den Klimawandel und die damit verbundenen Ängste dazu führen, dass sich die Personen besser verstanden fühlen und der Druck abnimmt. Auch die Nutzung des erholsamen Potenzials von Erfahrungen in der Natur kann eine wichtige therapeutische Antwort sein (z.B. Gartenbautherapie).
Nicht zuletzt kann auch die Beteiligung am Klimawandel-Aktivismus als eine Form der Bewältigung und des Umgangs mit eigenen Emotionen gesehen werden. Selbst diejenigen, die die Bedrohung durch den Klimawandel als schwerwiegend wahrnehmen, zeigen weniger Stress und weniger depressive Symptome, wenn sie sich engagieren. Neben der Steigerung der Wirksamkeit kann das Engagement aber auch soziale Kontakte und Bindungen fördern, die eine Quelle für positive Emotionen und Aufbau von Resilienz sind.
Je mehr Umweltwissen desto weniger Klimaangst
Psychologische Theorien deuten zudem darauf hin, dass ein Mangel an Wissen über ein Thema zu einem größeren Gefühl der Unsicherheit und damit Ängsten führt. Die Autoren Zacher und Rudolph (2023) konnten zeigen, dass diese Theorie auch auf Klimawissen und Klimaangst zutrifft. In ihrer Studie fanden sie heraus, dass ein höheres allgemeines Umweltwissen sowie ein höheres klimaspezifisches Wissen negativ mit Klimaangst zusammenhängen. Das heißt, dass Menschen, die mehr über Umwelt und Klima wissen, weniger Angst haben als Menschen, die weniger über Umwelt und Klima wissen. Diese Effekte bleiben selbst nach Kontrolle von demografischen Merkmalen, Persönlichkeitsmerkmalen und Umwelteinstellungen bestehen. Basierend auf den Ergebnissen können wir davon ausgehen, dass Bemühungen zur Verbesserung des Umweltwissens, beispielsweise durch Bildungs- und Schulungsmaßnahmen, dazu beitragen können, Klimaangst zu verringern.
Fazit: Der Klimawandel ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein psychologisches Problem
Der Klimawandel ist ein reales Problem. Aufgrund der zunehmenden Beweise ist es an der Zeit, ernsthaft darüber nachzudenken, wie der Klimawandel die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann. Da Klimaangst und kreisende Gedanken rund um Nachhaltigkeit und Klimawandel die berufliche Tätigkeit, Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit beeinflussen können. Damit ist es auch ein wichtiges Thema, für welches Personalexperten und Führungskräfte in Unternehmen sensibilisiert werden sollten. Auch am Arbeitsplatz kann dafür gesorgt werden, dass Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit dem Klimawandel gemeinsam besprochen werden können, Beschäftigte sich gehört fühlen und im besten Falle auch gemeinsam umwelt- und klimafreundliche Schritte gegangen werden können.
Quellen:
Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal of Anxiety Disorders, 74(102263). https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2020.102263
Clayton, S., & Karazsia, B. T. (2020). Development and validation of a measure of climate change anxiety. Journal of Environmental Psychology, 69(101434). https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2020.101434
Zacher, H., & Rudolph, C. W. (2023). Environmental knowledge is inversely associated with climate change anxiety. Climatic Change, 176(32). https://doi.org/10.1007/s10584-023-03518-z